Wer ihn noch nicht ausprobieren konnte, wird Apples neuen Rechner kaum vermissen. Wer ihn aber in Händen gehalten hat, gibt ihn nicht mehr her. Nächste Woche gibt es das iPad in Deutschland zu kaufen. Hier ein Alltags-Erfahrungsbericht eines „Welt“-Reporters.
Bei Apple stand stattdessen die Benutzung des Geräts im Mittelpunkt. Die Techniker des Unternehmens haben zuerst den Bildschirm und die Touchscreentechnik entwickelt. Auf diese beiden Bauteile entfallen 40 Prozent der Materialkosten. Danach verbauten die Techniker den Akku, und erst als die Bedienungselemente fertig waren, kamen die Bauteile, ohne die zwar ein Rechner nicht läuft, die aber ein Nutzer nicht sieht und ihn nur selten interessieren: Halbleiter, Schaltkreise und Chips. Diese Verschiebung der Prioritäten ist dem iPad deutlich anzumerken, das zeigt auch der Test, was sich mit dem iPad eigentlich so alles anstellen lässt.
Websurfen
Erst mit dem iPhone machte es richtig Spaß, sich unterwegs durch Internetseiten zu klicken, und mit dem iPad gilt das Gleiche für das Websurfen auf einem tragbaren Rechner – entspannt auf dem Sofa im Wohnzimmer oder im Gartenstuhl. Schon nach wenigen Minuten hatte ich mich an die Leichtigkeit und Geschmeidigkeit der iPad-Bedienung gewöhnt, danach wirkten andere Rechner, als seien sie ein wenig aus der Zeit gefallen. Einer der Hauptgründe dafür ist die Schnelligkeit des iPads.
Ohne Zeitverzögerung wechselt man zu neuen Webseiten, mit wenigen Fingerbewegungen lassen sich die Inhalte überfliegen, Filme und Musikstücke sind in wenigen Sekunden geladen. Die Bildschirmgröße ist nahezu perfekt an die Darstellung von Webseiten angepasst. Da der Akku leistungsfähig ist und im Test mehr als zwölf Stunden durchgehalten hat, ist Apples lediglich 700 Gramm schwerer Rechner auch für den mobilen Einsatz geeignet. In eine Manteltasche passt er allerdings nicht.
Zeitung lesen
Schon jetzt ist es natürlich möglich, sich elektronische Zeitungen am Rechner anzusehen. Wie die meisten Leser möchte ich jedoch nicht immer in gerader Arbeitshaltung die Seiten durchblättern, sondern zurückgelehnt im Sessel oder auf Reisen im Sitz eines Zugabteils. Mit dem iPad ist das möglich.
Auch nach mehr als einer Stunde wird der Akku nicht brüllend heiß wie bei vielen Notebooks, und das iPad kann auf den Knien liegen bleiben. Trotz der entspannten Position sind die Multimedia-Zeitungen interaktiv: Mit einem Klick auf ein Foto startet die Diashow, oder es laufen Videos zum Thema. Man kann Fotoausschnitte markieren und sie alsE-Mail verschicken sowie Artikel auf dem eigenen Facebook-Profil empfehlen. Noch ist das Angebot an Digitalzeitungen überschaubar, das aber wird sich in den nächsten Wochen und Monaten ändern. Schon in wenigen Tagen ist zum Beispiel eine spezielle iPad-App für die „Welt“ verfügbar, die wir in der kommenden Ausgabe vorstellen.
Bücher lesen
Ebenfalls spannend fand ich die Multimedia-Funktionen in Lexika oder in animierten Büchern, in denen zum Beispiel „Alice im Wunderland“ schrumpft und wieder wächst oder Hexen über den Bildschirm fliegen. Bücher gibt es in Apples iBook-Store, deutlich mehr aber bietet Amazon an. Auf Knopfdruck sind die Ausgaben bestellt, lassen sich in die Bibliothek einordnen, aus dem Regal nehmen und aufschlagen. Geblättert wird fast wie in einem echten Buch aus Papier. Anders als zum Beispiel bei Amazons Kindle ist es jedoch nicht möglich, Textpassagen auf den Seiten zu markieren oder sich Notizen an den Rand zu schreiben. Ein weiterer Nachteil: Der Bildschirm ist hintergrundbeleuchtet. Dadurch habe ich nicht länger als anderthalb Stunden durchgehalten, dann brannten mir die Augen.
Elektronische Bücher lassen sich mit dem iPad auch gut im Bett lesen. Eigentlich rotieren die Darstellungen auf dem Bildschirm – je nachdem, wie das iPad gehalten wird – in die Vertikale oder Horizontale. Diese Funktion lässt sich jedoch abschalten. Ansonsten ließe sich die Schrift nicht lesen, wenn man auf der Seite liegt und das iPad die Buchseiten horizontal anzeigt.
Videos ansehen
Da das iPad sehr schnell arbeitet, gibt es auch Videos ohne Ruckeln in exzellenter Qualität und satten Farben wieder. Der Blickwinkel ist groß, so können auch andere Zuschauer, die nicht direkt vor dem Bildschirm sitzen, Details erkennen. Es ist allerdings nicht ganz einfach, Filme auf das iPad zu laden: Es gibt weder DVD-Laufwerk noch USB-Anschluss.
Die fehlende Buchse ist ohnehin der Hauptkritikpunkt am iPad. Doch dafür gibt es eine etwa 30 Euro teure Lösung, das iPad-Dock. Der Adapter passt in die Buchse des Geräts, und an seinem Ende kann ein USB-Kabel angeschlossen werden. Doch für den Video-Nutzer hat das iPad zwei weitere Nachteile. Wer viele Filme speichern möchte, kann die teurere 64-Gigabyte-Version kaufen. Trotzdem hatte ich den Speicher nach einigen Stunden schon prall gefüllt. Darüber hinaus unterstützt das iPad nicht die Flashtechnik, die auf zahlreichen Webseiten für Animationen und Videoeinspieler eingesetzt wird. Dadurch bleiben einige Stellen auf Webseiten weiß, und ich konnte mir zum Beispiel keine Filme aus der ARD-Mediathek ansehen.
Fotos betrachten
Direkt von der Digitalkamera lassen sich keine Fotos auf den iPad laden, das geht ebenfalls nur über den Umweg eines Adapters. Ich habe mir einige Dateien per E-Mail geschickt, und dann konnte ich sehen, wie brillant und farbtreu das Display die Bilder anzeigt – aber auch die technischen Fehler, die ich bei den Aufnahmen gemacht habe. Die Bedienung ist einfach: Die Fotos liegen übersichtlich auf einem Stapel, das Zoomen mit zwei Fingern versteht jeder auf Anhieb. Nach wenigen Minuten war der Bildschirm allerdings derart verschmiert, dass nicht mehr viele Einzelheiten zu sehen waren.
Musik hören
Auch Musikdateien kommen nicht ohne Umwege auf das iPad, außer man kauft sie direkt – und dann sehr komfortabel – bei iTunes. Ich habe mir stattdessen mit den Apps GoodReader und AirShare Musikstücke aus meinem bestehenden iTunes-Archiv importiert. Damit hatte ich zumindest etwas zum Reinhören. Obwohl ich hochwertige Kopfhörer angeschlossen hatte, war die Qualität der Wiedergabe nur in Ordnung. Leider kann man keine Musik von Webdiensten wie last.fm hören und gleichzeitig E-Mails verschicken: Das iPad ist nicht in der Lage, mehrere Programme parallel auszuführen. Das ist unzeitgemäß, könnte sich aber mit einer neuen Version des iPads schon ändern.
Spiele daddeln
Die Grafik des iPads ist nicht mit der einer hochgetunten Games-Maschine zu vergleichen, aber auch hier macht die Bedienung das Besondere aus. Mit wenigen Fingertipps hatte ich Spiele aus dem AppStore heruntergeladen, und die Sensoren funktionieren hervorragend. Bei Rennspielen dient das iPad als Lenkrad, damit konnte ich das Rennauto recht sicher über die Strecke bringen. Anders als auf dem iPhone wird das gesamte Spielfeld, zum Beispiel bei Scrabble, dargestellt. Man muss nicht mehr wie wild hin- und herzoomen.
Kinder unterhalten
Da Benutzer des iPads sich keine Gedanken über die Bedienung von Knöpfen und Tasten machen müssen, kommen auch Kleinkinder schnell damit zurecht. Ich habe es zwei Fünfjährige ausprobieren lassen: Vor allem das Ausmalen von Schwarz-Weiß-Zeichnungen hat sie begeistert, nach einer halben Stunde war noch lange nicht Schluss. Mit einer App wie Brushes können auch Ältere zeichnen, Flächen schraffieren oder Federstriche mit unterschiedlicher Breite zeichnen. Auf Knopfdruck lässt sich das Kunstwerk dann mit wenigen Klicks per E-Mail verschicken – als kurzer Geburtstagsgruß ist das eine nette Sache.
Kommunizieren
Man muss das iPad nicht lange starten, man benutzt es einfach. Aus dem Stand-by wacht es sofort auf. Damit lassen sich im Wartehäuschen schnell noch E-Mails aufrufen, bevor der Bus kommt. Aufgrund des deutlich größeren Bildschirms sind E-Mails übersichtlicher dargestellt als bei einem iPhone: Links ist die Liste der Mitteilungen angeordnet, rechts ist der Inhalt zu sehen. Einige Funktionen habe ich jedoch vermisst. Es lassen sich keine lokalen Ordner anlegen und keine Sammel-E-Mails verschicken.
Über ein Headset und den USB-Adapter habe ich mit Skype auch telefonieren können. Die Qualität der Übertragung war recht gut. Dafür braucht der Nutzer jedoch eine Mikro-SIM-Karte. Eine Alternative: Man schneidet sich seine herkömmliche SIM-Karte aus dem Handy zurecht, bis sie passt – allerdings ohne die Kontaktfläche zu zertrennen. Dann passt sie nur nicht mehr ins Mobiltelefon. Man kann nicht immer alles haben.
Texte eingeben
Ich rate dringend, nicht mit Texteingaben zu beginnen, um die Funktionsvielfalt des iPads zu entdecken. Virtuelle Tastatur und Rechtschreibvorschläge empfand ich als nervtötend. Wer viel und schnell tippt, sollte entweder ein Notebook nutzen oder eine externe Tastatur anschließen. Praktisch ist eine stabile Hülle für etwa 30 Euro, mit der sich das iPad zum Tippen ein wenig schräg und hochkant stellen lässt, um sich Videos anzusehen. Trotzdem war ich unzufrieden: Sonderzeichen wie Umlaute und ein ß sind nur mühsam zu erreichen, exaktes Markieren von Textpassagen ist nur mit sehr viel Übung und Fingerspitzengefühl möglich.
Für mich heißt das: Für die Schreibarbeit starte ich doch wieder mein Notebook, wenn ich jedoch im Web surfen, digitale Zeitungen lesen, mir Videos ansehen oder schnell E-Mails abrufen möchte, bleibt das Laptop ausgeschaltet. Das Schöne am iPad ist der komfortable Medienkonsum, und selbst wenn man damit arbeitet, wirkt es wegen seiner flexiblen Nutzungsmöglichkeiten auf dem Sofa und am Küchentisch nicht wie Arbeit.
Quelle: Welt.de